Finanzverwaltung präzisiert Mitteilungspflicht bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen

Das Bundesfinanzministerium hat in einem sog. BMF-Schreiben detailliert festgelegt, wie die Vorschriften über die Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen von den Finanzämtern auszulegen sind. Das Anwendungsschreiben schafft Klarheit für die betroffenen Unternehmen und ihre Berater. Wichtig ist, dass es um legale Gestaltungen geht und nicht etwa um Fälle von Steuerhinterziehung.

Mitteilungspflicht besteht seit dem 1. Juli 2020

Die Mitteilungspflicht bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen basiert auf einer EU-Richtlinie vom 25. Mai 2018, die von Experten als „DAC 6-Richtlinie“ bezeichnet wird. Sie verpflichtete die Mitgliedstaaten der Europäischen Union Regelungen zu schaffen, nach denen bestimmte grenzüberschreitende Steuergestaltungen den Finanzbehörden der Mitgliedstaaten mitzuteilen und dann zwischen den Mitgliedstaaten automatisch auszutauschen sind. Die Richtlinie war von den Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 2019 in nationales Recht umzusetzen.

Der Deutsche Bundestag war dem nachgekommen und hatte in 2019 mit Zustimmung des Bundesrates das „Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“ beschlossen. Damit wurde die Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Das zum 1. Januar 2020 in Kraft getretene Gesetz hat insbesondere die Paragrafen 138d bis 138k als Ergänzung des Unterabschnitts „Anzeigepflichten“ in die Abgabenordnung (AO) eingefügt.

Die Mitteilungen über grenzüberschreitende Steuergestaltungen sind ab dem 1. Juli 2020 zu übermitteln. Das Gesetz betrifft allerdings bereits Gestaltungen, bei denen der erste Schritt der Umsetzung nach dem 24. Juni 2018 erfolgt ist.

Die Mitteilungspflicht richtet sich primär an den sog. Intermediär. Intermediär ist wer eine mitteilungspflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltung vermarktet, für Dritte konzipiert, organisiert oder zur Nutzung bereitstellt oder ihre Umsetzung durch Dritte verwaltet. In erster Linie gehören dazu Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte.

Prüfschema des Bundesfinanzministeriums

Für die Prüfung, ob eine Mitteilungspflicht besteht, hat das BMF ein Prüfungsschema veröffentlicht.

Zunächst ist zu fragen, ob von der Gestaltung eine Steuer betroffen ist, auf die das EU-Amtshilfegesetz Anwendung findet. Außerdem muss eine Steuergestaltung vorliegen. Dann ist zu prüfen, wer an der Steuergestaltung beteiligt ist und ob ein grenzüberschreitender Bezug vorliegt. Weitere Voraussetzung ist das Vorliegen eines Merkmals des Paragrafen 138e AO. In dieser Vorschrift sind die Kennzeichen grenzüberschreitender Steuergestaltungen aufgeführt (im englischen als „Hallmark“ bezeichnet).

Wenn eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist, besteht keine Mitteilungspflicht. Ansonsten liegt grundsätzlich eine mitteilungspflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltung vor.

Steuern, auf die das EU-Amtshilfegesetz Anwendung findet

Die Mitteilungspflicht gilt nicht für die Umsatzsteuer (einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer), für Zölle und harmonisierte Verbrauchsteuern sowie für Sozialabgaben und Gebühren. Betroffen sind hingegen Gestaltungen im Zusammenhang mit den folgenden Steuerarten:

Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer, Versicherungssteuer, Grundsteuer, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Luftverkehrsteuer , nicht-harmonisierte Verbrauchsteuern (zum Beispiel Kaffeesteuer).

Steuergestaltungen als Grundvoraussetzung für die Mitteilungspflicht

Bei einer Steuergestaltung handelt es sich – so das Bundesfinanzministerium wörtlich – um einen bewussten, das (reale und/oder rechtliche) Geschehen mit steuerlicher Bedeutung verändernden Schaffensprozess durch Transaktionen, Regelungen, Handlungen, Vorgänge, Vereinbarungen, Zusagen, Verpflichtungen oder ähnliche Ereignisse. Durch den Nutzer oder für den Nutzer wird dabei eine bestimmte Struktur, ein bestimmter Prozess oder eine bestimmte Situation bewusst und aktiv herbeigeführt oder verändert. Diese Struktur, dieser Prozess oder diese Situation bekommt dadurch eine steuerrechtliche Bedeutung, die ansonsten nicht eintreten würde.

Beispiel: Beim sog. Goldfinger-Modell wurde durch den Erwerb von Gold (Umlaufvermögen) im Ausland bei der Gewinnermittlung durch eine Einnahmenüberschussrechnung im Jahr des Erwerbs ein dem negativen Progressionsvorbehalt unterliegender Verlust erzielt. Der Gewinn aus der Veräußerung des Goldes im Folgejahr unterlag zwar dem positiven Progressionsvorbehalt, wirkte sich jedoch aufgrund der Höhe der übrigen Einkünfte des Steuerpflichtigen, die bereits mit dem Spitzensteuersatz zu versteuern waren, nicht aus. Das Goldfinger-Modell wurde in nahezu gleicher Form für eine Vielzahl von Nutzern von Intermediären ohne wesentliche Änderung umgesetzt. Es handelt es sich um eine Steuergestaltung.

Tipp: Eine Steuergestaltung liegt nicht vor, wenn ein Steuerpflichtiger lediglich den Ablauf einer gesetzlichen Frist oder eines gesetzlichen Zeitraums abwartet, nach welchem er eine Transaktion steuerfrei oder nicht steuerbar realisieren kann. Unerheblich ist, ob die Gestaltung modellhaft angelegt ist.

Beispiele für Gestaltungen mit steuerlicher Bedeutung, die unter Berücksichtigung der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen eine Mitteilungspflicht auslösen:

Schaffung, Zuordnung, Erwerb oder Übertragung von Einkünften oder deren Quellen auf einen anderen Rechtsträger; Gründung oder Erwerb einer die Einkünfte erzielenden juristischen Person; Anpassung vertraglicher Konditionen (nicht ausschließlich unter Fremdvergleichsgrundsätzen)

Grenzüberschreitender Bezug

Die Mitteilungspflicht gilt nur bei grenzüberschreitende Steuergestaltungen. Eine Steuergestaltung ist grenzüberschreitend, wenn sie mehr als einen EU-Mitgliedstaat oder mindestens einen EU-Mitgliedstaat und einen oder mehrere Drittstaaten betrifft. Der Begriff der Betroffenheit ist weit auszulegen und setzt keine steuerliche Auswirkung voraus.

Kennzeichen sind abschließend in der Abgabenordnung beschrieben

Paragraf 138e AO enthält die abschließende Aufzählung der Kennzeichen, die einen mitteilungspflichtigen Tatbestand auslösen. Dabei erfasst Paragraf 138e Absatz 1 AO die bedingten Kennzeichen, auf die der sog. Relevanztest anzuwenden ist. Im Gegensatz dazu erfasst Paragraf 138e Absatz 2 AO solche unbedingten Kennzeichen, deren Vorliegen ohne Relevanztest zu einer mitteilungspflichtigen Steuergestaltung führt.

Bei den bedingten Kennzeichen ist weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung, dass ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Fakten und Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile der Gestaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist. Wird dies bejaht, ist der Relevanztest erfüllt.

Änderungen steuerlicher Rahmenbedingungen

Außerhalb der Einflusssphäre der Beteiligten stehende Änderungen der steuerlichen Rahmenbedingungen (zum Beispiel Gesetzesänderungen, Abschluss eines DBA), infolge derer eine Gestaltung erst nachträglich in den Anwendungsbereich eines Kennzeichens hineinwächst, führen grundsätzlich nicht zum (erneuten) Vorliegen einer mitteilungspflichtigen Steuergestaltung. Das gilt allerdings nicht, wenn die künftige Änderung der steuerlichen Rahmenbedingungen für die Steuergestaltung wesentlich ist und bewusst berücksichtigt wurde.

Elektronische Meldung vorgeschrieben

Grenzüberschreitende Steuergestaltungen sind dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) nach einem amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch mitzuteilen. Intermediäre und Nutzer haben für die Mitteilung der Angaben das DAC6 XML-Schema zu verwenden. Für die Mitteilung gilt eine Frist von 30 Tagen.

Stand: 16.05.2021